Nachhaltige Textilien und ihre Produktion
2019 gaben die Deutschen 64 Milliarden Euro für Bekleidung aus. Gleichzeitig wird aber auch jährlich eine Menge von 391.752 Tonnen Textilmüll produziert.
“Fast Fashion” ist klar im Trend. Immer mehr werden Kleidungsstücke nicht mehr als Investitionen oder Ausdruck des eigenen Stils angesehen, sondern als kurzzeitige Konsumbefriedung, die entsprechend nur für eine Saison getragen und folglich auch nachlässig produziert werden. Dieses exzessive Kauf- und Nutzungsverhalten schreit geradezu nach Klimakiller.
Ist es überhaupt möglich nachhaltig Textilien zu produzieren?
Und wann sind Textilien überhaupt fair, bio, nachhaltig oder eben grün produziert?

Was macht nachhaltige Stoffe aus?
Nachhaltigkeit in der Mode- und Textilbranche heißt nicht nur, dass die Stoffe besonders langlebig sein müssen. Sie müssen im Anbau, der Produktion und der Veredlung verträglicher für die Umwelt sein als herkömmliche Stoffe.
Dazu zählen folgende Aspekte:
- Chemikalieneinsatz
- Ressourceneinsatz
- Tierwohl
- Treibhausgasemission
Ebenso gehören dazu soziale Aspekte, Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter. Beim Kauf von nachhaltigen Stoffen solltest du immer darauf achten, welches Label und Siegel die einzelnen Produkte haben, wie das Siegel der Fair Wear Foundation, Öko-Tex Made in Green oder Fair Trade Cotton und von Kunstfasern wie Polyester und Elastan eher absehen. Zentral ist immer die Frage nach dem genutzten Rohstoff, denn die Weiterverarbeitung kann von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich sein.
Welche Stoffe sind denn nachhaltig?
Grundsätzlich unterscheidet man bei den genutzten Rohstoffen in Naturfasern und Chemiefasern. Naturfasern stammen von Pflanzen oder Tieren ab, müssen aber nicht automatisch nachhaltig und ökologisch sein. Kunstfasern hingegen werden aus natürlichen oder synthetischen Fasern künstlich hergestellt und anderes als es der Name vermuten lässt, sind nicht alle Kunstfasern eine Umweltkatastrophe.

Hier nun eine Übersicht zu den gängigsten Stoffen:
Baumwolle ist eine natürliche Faser, die aus den Faserbüscheln in den Früchten der Baumwollpflanze gewonnen wird. Das Besondere an Baumwolle ist, dass sie sehr strapazierfähig und dementsprechend langlebig ist. Die Kleidungsstücke halten oft länger als solche, die aus synthetischen Fasern bestehen. Im Vergleich zur regulären Baumwolle wird bei der zertifizierten Bio-Variante darauf geachtet nur natürliches Saatgut, welches nicht gentechnisch verändert wurde, zu verwenden. Zusätzlich wird auf Pestizide und andere Chemikalien weitgehend verzichtet und auch beim Wasserverbrauch wird im Vergleich zum herkömmlichen Anbau um 91 % Wasser eingespart.
Vorteile:
- Atmungsaktiv
- gute Temperaturregulierung
- Langlebig
- Biologisch abbaubar
- Keine Pestizide oder schädliche Dünger
- Keine Monokultur
- Allergiker-freundlich
Nachteile
- Auch die Bio-Baumwolle hat immer noch einen hohen Wasserverbrauch
(ca. 6.600l/kg – herkömmliche BW: 11.000l/kg) - Ggf. zusätzliche Weiterbehandlung mit giftigem Bleich- oder Färbemittel
Leine ist eine Naturfaser der Flachspflanze und somit biologisch abbaubar. Ähnlich wie Baumwolle ist der Stoff sehr strapazierfähig, aber um einiges fester und knittert leicht. Durch die kühlende Eigenschaft wird Leinen gern als Stoff für leichte Sommerkleidung genutzt.
Bio-Leinen bietet gegenüber herkömmlicher Leine ähnliche Vorteile wie Bio-Baumwolle – verbraucht also weniger Energie und Wasser (ca 2.500l/kg) und wird nicht in Monokulturen mithilfe von Pestiziden angebaut.
Dennoch bleibt die Gewinnung der Faser recht aufwendig. Die Pflanze muss von der Wurzel getrennt und entsamt werden, bevor der Trocknungs- und Röstungsprozess beginnen kann. Erst wenn sie diese Schritte durchlaufen hat, kann die eigentliche Entnahme der Faser beginnen und versponnen werden. Bei Bio-Leinen dauert der alternative Röstungsprozess insgesamt länger, um das Abwasser nicht zu belasten. Dadurch sind die Verkaufspreise für Bio-Leinen gegenüber konventioneller Leinen teurer.
Vorteile:
- Atmungsaktiv
- Kühlend
- Strapazierfähig
- Langlebig
- Biologisch abbaubar
- Niedriger Wasserverbrauch
- Keine Pestizide oder schädliche Dünger
- Keine Monokultur
Nachteile
- Langer Produktionsprozess
- Teure Preise
- Knittert extrem schnell
Wolle ist eine tierische Naturfaser und wird meist aus dem Fell von Schafen gewonnen. Es gibt natürlich auch Wolle von anderen Säugetieren, wie zum Beispiel Ziegen oder Alpakas.
Wolle wird gewonnen in dem die Tiere geschoren und die Fasern dann zu Garn gesponnen werden. Für Bio-Wolle ist das Tierwohl entscheidend. Es muss auf artgerechte Haltung geachtet werden, mit genügend Auslauf, unbehandeltem Futter und ohne Überzüchtung. Bei Schafen ist zudem das Mulesing-Verfahren untersagt. Mit diesem Verfahren soll eigentlich der Verfall von Fliegenmaden verhindert werden, doch es ist sehr schmerzhaft für die Tiere. Damit man erkennt, ob die Wolle aus einer nachhaltigen und tierfreundlichen Umgebung stammt, gibt es Siegel zur Kennzeichnung, wie GOTS (Global Organic Textile Standards) oder RWS (Responsible Wool Standard).
Vorteile:
- Weich
- Wärmend
- Aus kontrollierter biologischer Tierhaltung
- Biologisch abbaubar
Nachteile
- Nicht vegan
- Spezielle Pflege ist nötig
- Schurprozesss können je nach Produktionsstätte sehr grob sein
Recyceltes Polyester wird meist aus alten PET-Flaschen hergestellt und ist auch unter dem Namen rPET bekannt. Im Herstellungsprozess, einem Schmelzspinnverfahren, werden Kunststoffe eingeschmolzen und versponnen. Für dieses Verfahren ist ein hoher Energie-, Chemie- und Wassereinsatz notwendig, wodurch die Umwelt belastet wird. Trotzdem wird durch die Wiederverwertung Erdöl gespart und Müll reduziert. Durch das Recycling sorgt rPET dafür, dass weniger Plastik auf Deponien oder im Meer landen, bzw. wird genau aus diesem aufbereitet. Das ist an sich nicht das Schlechteste.
Es handelt sich allerdings immer noch um eine Kunstfaser, wodurch beim Waschen Mikroplastik frei wird.
Vorteile:
- Wasserabweisend
- Elastisch
- Gute Temperaturregulierung
- Gutes Allrounder-Textil
- Ressourcenschonend
- Kein zusätzliches Erdöl
- Relativ günstige Produktion
Nachteile
- Mikroplastik wird beim Waschen freigesetzt
- Nicht biologisch abbaubar
- Hoher Energie-, Chemie- und Wasserbedarf
Lyocell, auch Tencel© genannt ist eigentlich eine Viskose-Faser der Firma Lenzig. Tencel© und Lyocell sind nur Markennamen. Diese Faser wird künstlich aus Zellulose hergestellt. Mittels Löseverfahren wird die Zellulosefaser aus dem Holz des Eukalyptus gewonnen. Anschließend wird diese mit umweltverträglichem, organischem Lösemittel und Wasser vermischt und das Lösemittel zu 99 % wieder verwendet und in den Prozess zurückgeführt. Aus diesem Gemisch werden die Fasern gewonnen und zu Garn versponnen. Somit handelt es sich hierbei um eine halbsynthetische Faser und keine reine Naturfaser.
Vorteile:
- Weich
- Kühlend
- Atmungsaktiv (gut für nachhaltige Sportmode)
- Wenige Chemikalien, da die Fasern nicht geblichen werden müssen
- Geringer Wasserverbrauch (ca. 20l/kg)
Nachteile
- Nur nachhaltig, wenn auch die Forstwirtschaft nachhaltig ist
- Da es aus Holz gewonnen wird, trägt es zur Abholzung bei
Viskose oder Modal gehören zu den Regeneratfasern. Ähnlich wie Lyocell sind sie halbsynthetisch und werden aus der Zellulose von Holz gewonnen. Modal ist eine spezielle Form von Viskose, die hauptsächlich aus den Fasern von Buchen hergestellt wird. Da Buchen auch in Europa wachsen, entfallen lange Transportwege, was es für viele europäische Hersteller als nachhaltige Methode attraktiv macht.
Die Herstellung erfolgt in einem chemischen Stufenprozess. Verwendet werden dabei hauptsächlich Natronlauge und Schwefelkohlenstoff, die aber größtenteils wiederverwendet werden können. Somit entsteht ein nahezu geschlossenes Verfahren.
Vorteile:
- Atmungsaktiv
- Langlebig
- Hautfreundlich
- Seidiger Glanz (gut für Bettwäsche, Schlafanzüge und Unterwäsche)
- Benötigt kein Erdöl
Nachteile
- Muss aus nachhaltiger Forstwirtschaft kommen
- Viel Chemie im Herstellungsprozess (auch wenn ein Großteil wieder verwendet wird)
- Hoher Energieverbrauch
Seide wird klassisch aus den Fäden der Seidenraupe gewonnen, die aus dem Kokon abgehaspelt werden. Diese proteinbasierten Fasern sind extrem lang und fein. In der Regel werden die Raupen bei der Ernte getötet, da sie sonst beim Schlümpfen den Faden zerfressen würden. Mittlerweile gibt es auch Seidenarten, bei denen die Raupen aus ihrem Kokon schlüpfen dürfen, wie zum Beispiel Peace-Seide.
Eine andere Alternative ist Sojaseide. Sojaseide ist eine Naturfaser und wird aus den Abfallprodukten der Sojabohnen-Industrie gewonnen. Dadurch trägt es zur Müllreduzierung bei. Allerdings muss das Material chemisch mit Formaldehyd behandelt werden, damit es in der Textilindustrie einsetzbar ist. Formaldehyd ist extrem gesundheitsschädlich und kann sogar krebserregend sein.
Auch wenn die eingesetzten Toxine wiederverwendet werden, sollte auf eine genaue Zertifizierung im Label geachtet werden.
Vorteile:
- Trägt zur Müllreduktion bei
- Extrem weich und leicht
- Pflegeleichter als herkömmliche Seide oder Kaschmir
Nachteile
- Einsatz von Formaldehyd
Die Hanfpflanze ist den meisten Verbrauchern eher im Zusammenhang mit Cannabis bekannt. Doch Hanffasern werden auch immer beliebter in der nachhaltigen Textilbranche. Die Fasern werden aus den Stängeln der Pflanze entnommen, geröstet und zu Garn weiterverarbeitet. Hanf ist eigentlich eine sehr pflegeleichte Pflanze, da sie auf nahezu jedem Boden wächst, wenig Wasser und keine Pestizide braucht.
Vorteile:
- Einfacher Anbau
- Biologisch abbaubar
- Stärkt den Boden mit Nähstoffen
- Vielseitig einsetzbar
- Atmungsaktiv
- Kühlend
- Reißfest
Nachteile
- Vorschriften beim Anbau beachten in Bezug auf Cannabis
Veredelungsprozess
Die Nachhaltigkeit eines Stoffs zeichnet sich nicht nur durch seinen Ausgangsstoff und seine Produktion aus, sondern auch durch seinen Veredelungsprozess. Bei der Veredlung wird der Stoff gefärbt, knitterfrei, wasser- oder feuerfest gemacht. Dazu werden europaweit bis zu 15.000 verschiedene chemische Substanzen eingesetzt. Nachhaltige Prozesse versuchen möglichst auf Chemikalien zu verzichten und den Wasserverbrauch minimal zu halten, zum Beispiel durch die Nutzung von Pflanzenfarben.
Das schwedische Unternehmen WeAre SpinDye macht es vor. Bei Ihnen wird die Faser während des Spinnprozesses gefärbt und nicht wie in der herkömmlichen Praxis nachträglich in Verbindung mit vielen Umweltrisiken. Das zusätzliche Färben von ganzen Stoffen wird damit obsolet, wodurch Ressourcen und Kosten gespart werden. In der gesamten Produktionsketten werden bis zu 75 % Wasser eingespart.
Das Unternehmen Pepwing setzt auf ein ähnliches Konzept. Über das sogenannte Dye Free Masterbatch-Färbeverfahren wird Polyester ohne Wasser eingefärbt und zu einem gefärbten Chip verarbeitet. Dieser Chip wird dann zu Garn ausgepresst. Das Endprodukt ist nicht nur recyclebar, sondern auch der prozessinterne Wasserverbrauch wird hier um 50 % reduziert.

Stefanie Hiller
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2022 Stefanie Hiller